Die Entwicklung des Familienstellens bis hin zum heutigen Original Hellinger® Familienstellen
Bei der Entwicklung des Familienstellens durch Bert und Sophie Hellinger lassen sich insgesamt fünf Phasen unterscheiden. In jeder Phase wurden grundlegende und völlig neue Erkenntnisse über das menschliche Verhalten entdeckt. Im Folgenden werden diese Phasen detailliert beschrieben.
1. Phase: 80er Jahre bis 2002 - Die klassische Familienaufstellung
Die sogenannte klassische Familienaufstellung wurde von Bert Hellinger ab den 80er Jahren bis ca. 2002 praktiziert und demonstriert. Ihren Ablauf erklärt Bert Hellinger folgendermaßen:
„Nachdem die Stellvertreter vom Klienten aufgestellt worden waren, wurden diese befragt, wie es ihnen ergehe. Danach wurden sie umgestellt, bis sich am Ende alle gut fühlten. Oft wurden noch andere Stellvertreter in die Aufstellung mit hineingenommen. Wenn zum Beispiel alle Stellvertreter in dieselbe Richtung blickten, hieß das: Sie schauten auf jemanden, der in der Familie ausgeschlossen oder vergessen worden war. Wenn jemand für diese unbekannte Person aufgestellt wurde, atmeten die anderen erleichtert auf. Auf diese Weise kam eine verborgene Unordnung ans Licht. Denn viele Probleme in einer Familie, auch Krankheiten, haben ihre Wurzeln im Ausschluss eines Familienmitglieds - zum Beispiel, wenn ein Kind weggegeben oder verschwiegen worden war.“
Am Ende der Aufstellung wurden alle Stellvertreter befragt, wie es ihnen gehe, dann wurde der Klient dasselbe gefragt. In der Regel war er vom Ergebnis sehr betroffen, weil es völlig anders war, als er es sich vorgestellt hatte.
Dabei ging es in erster Linie um die Herkunfts- und Gegenwartsfamilie. Wenn es vorwiegend um ein Paar und seine Kinder ging, hing das Problem häufig mit ihren Herkunftsfamilien zusammen. Der Fokus blieb auf diese beiden Familien begrenzt. Diese Art des Familienstellens erwies sich als sehr erfolgreich.
Bert Hellingers Arbeit löste in der Therapieszene eine wahre Revolution aus. An seinen Seminaren nahmen bis zu 1000 Therapeuten teil. Seine Arbeit brachte bisherige Denkmuster und Ansätze völlig durcheinander. Für viele Therapeuten war diese Art der Arbeit Bert Hellingers fast wie ein Erdbeben. Sehr viele waren begeistert, schlossen sich ihm an und lernten bei ihm. Lange galt er in der Psychoszene als der absolute Geheimtipp. Wer etwas auf sich hielt, kam immer wieder zu ihm.
Doch einige empörten sich über Bert Hellingers Aussagen nach der Aufstellung und über seine Vorgehensweise: „Ich mache nur eine Aufstellung für einen Klienten, danach kümmere ich mich nicht mehr um ihn.“ Sie waren besorgt, der Klient komme oft mit dem, was ans Licht gekommen war, nicht zurecht. Er brauche daher weiterhin Unterstützung, Führung und Begleitung.
Bert Hellinger war völlig anderer Ansicht: Wenn das Geheimnis oder die Wahrheit am Licht ist, ist die Person sofort durch ihre Verbindung und den richtigen Platz, auf dem sie jetzt steht, ganz in ihrer Kraft. Jegliches Zurückgehen und weiteres Befragen aus der Vergangenheit der Person degradiert die Person zu einem Kind und häufig zu einem Opfer. Bert Hellinger geht davon aus: Wer sich als Opfer präsentiert und handelt, will keine Veränderung. Der Klient beweist das auch seinem Therapeuten, indem er sich nach Jahren einen neuen Therapeuten sucht, weil der vorherige „nicht der richtige“ war. Und so gibt es Klienten, die seit zehn oder dreißig Jahren in einer Therapie sind - ohne jegliche Veränderung.
Die klassische Familienaufstellung hat vielen Menschen geholfen und wurde als eine Bereicherung für viele Therapeuten in der Psychotherapie erfahren. Doch sie blieb weitgehend auf diesen Bereich beschränkt. Heute reicht dieses Vorgehen allerdings bei weitem nicht mehr aus. Nur fünf Prozent aller Aufstellungen sind dem Bereich der Psychotherapie zuzuordnen.
2. Phase: 2002 bis 2006 - Die Bewegungen der Seele
Von 2002 bis Anfang 2006 standen für Bert und Sophie Hellinger die Bewegungen der Seele im Mittelpunkt der Aufstellungen. Bert Hellinger erklärte dazu:
„Meine Frau und ich hatten entdeckt, dass die Bewegungen der Stellvertreter tiefer gingen, wenn ich sie nur noch selten danach befragte, wie sie sich fühlen. Jeder, der diese Aufstellungen beobachtete, wurde tief berührt und bewegt. Das verstärkte sich umso mehr, je weniger wir nachfragten. Dabei war wichtig, dass die Stellvertreter wenig über den Klienten wussten und sich alleine der inneren Bewegung überließen, die sie von innen und außen erfasste. Diese neue Vorgehensweise ging ganz offensichtlich weit über das frühere Familienstellen hinaus. Es gab kaum Fragen mehr nach Gefühlen, Erwartungen und Ängsten. Die Aufstellung wurde nicht auf ein Ziel hingeleitet, das vom Klienten vorgegeben war und in dessen Dienst sich der Aufstellungsleiter stellte. Alles wurde den Bewegungen überlassen, wie sie den Stellvertreter erfassten - jenseits der Vorstellungen von Problem und Lösung und jenseits der Psychotherapie im bisher üblichen Sinn.
Auf einmal kam ans Licht, was im Verborgenen in den Familien wirklich vor sich ging, wenn sie sich von einer anderen Kraft bewegt erlebten. Die Stellvertreter erfuhren sich als ein Medium, von einer anderen Macht in Besitz genommen und bewegt. Auch der Aufstellungsleiter folgte diesen Bewegungen. Auch er ließ sich von ihnen erfassen, leiten und führen.“
3. Phase: 2006 bis 2016 - Das Geistige Familienstellen
Das Geistige Familienstellen, das „Gehen mit dem Geist“, wurde Ende 2006 von Bert und Sophie Hellinger entwickelt und praktiziert. Diese Weiterentwicklung ging einher mit neuen Einsichten über unsere Seele und unseren Geist, vor allem aber über neue Einsichten über die Grenzen unseres Gewissens. Es hat sich herausgestellt, dass diese Einsichten in allen unseren Beziehungen gelten, weit über uns persönlich und über unsere Familie hinaus.
Anders als beim der klassischen Familienaufstellung braucht der Aufstellungsleiter nur sehr wenige Informationen seitens des Klienten, aber jahrzehntelange Erfahrung in der Aufstellungsarbeit. Der Leiter verbindet sich mit dem großen geistigen Feld und wählt dann selbst intuitiv Stellvertreter aus – nicht der Klient. Die Stellvertreter werden darauf hingewiesen, ihren Verstand auszuschalten und zu warten, bis sie unwiderstehlich von einer Bewegung erfasst werden. Indem sie diesen inneren Bewegungsimpulsen folgen, bewegen sich die Stellvertreter sehr langsam. Der Aufstellungsleiter greift kaum in das Geschehen ein. Manchmal stellt er noch einen fehlenden Stellvertreter dazu, oder ein Stellvertreter wird ausgetauscht, weil er nicht gesammelt ist oder seine eigene Absicht einbringt. Am Ende stellt der Aufstellungsleiter den/die Klienten/in selbst in die Aufstellung hinein.
Solche Aufstellungen können „offen“ bleiben oder „unvollendet“ wirken. Doch in der Seele wirken sie jahrelang weiter. Der Leiter entscheidet, wann die Aufstellung beendet ist.
4. Phase: Ab 2017 - Das neue, heutige Original Hellinger® Familienstellen
Ab 2017 wurde nur noch das sogenannte Original Hellinger® Familienstellen von Bert und Sophie Hellinger praktiziert. Es wurde im Wesentlichen von Sophie Hellinger entwickelt. An der Hellingerschule wird heute ausschließlich diese Art des Familienstellen gelehrt. Offensichtlich werden die Stellvertreter und der Aufstellungsleiter beim heutigen Original Hellinger® Familienstellen von einer großen Macht in Besitz genommen und geführt.
Wohin werden sie geführt? Über alle Trennungen und Vorstellungen hinweg werden jene zusammengeführt, die vorher aus unbekannten Gründen unverbunden und getrennt waren. Dabei wirkt eine größere Macht. Es ist eine Macht der Liebe, die alle Trennungen aufhebt.
Was heißt das im Einzelnen? Die für uns oft im Vordergrund stehenden Unterscheidungen von Gut und Böse gelten nicht mehr. Die Aufstellungen erweisen sich als raum- und zeitlos. Was wir uns in der bisherigen Psychotherapie erhofft haben, tritt in den Hintergrund und damit alles, was wir mit unserem guten Gewissen und unserem guten Willen erreichen wollten. Dies alles geschieht unabhängig von unseren üblichen Vorstellungen und unserem gewohnten Denken. Beim Original Hellinger® Familienstellen läuft die Aufstellung vor den Augen aller Anwesenden ab - ohne äußere Eingriffe. Die Wiederherstellung der verletzten Ordnung wird vor den Augen aller Anwesenden wie von Geisterhand geführt. Man könnte eine Stecknadel zu Boden fallen hören, der Atem stockt. Die Aufstellung wird wie eine für alle klare Offenbarung erlebt, wie der Eingriff einer anderen, einer geistigen Macht. Die Stellvertreter und der Aufstellungsleiter verhalten sich wie Medien, durch die andere, große Kräfte wirken. Lösungen, die nicht einmal gedacht werden konnten, erweisen sich wie eine Selbstverständlichkeit.
Was geschieht mit dem vorher ausgeübten Familienstellen? Es behält weiterhin seinen Wert, allerdings in engen Grenzen. Gemeinsam wird es überwunden - je mehr sich die Aufstellungsleiter und alle Beteiligten auf etwas Größeres einlassen. Sie alle lassen sich auf die ihre persönlichen Interessen übersteigenden Bewegungen der Gefühle und des Geistes ein, und unterwerfen sich damit dieser Führung.
Verlieren die Beteiligten dadurch etwas? Nein, alle gewinnen. Das Original Hellinger® Familienstellen ist am Puls der Zeit. Das heißt: Verbindung und Miteinander statt Gegeneinander. Das Motto lautet: Gemeinsam sind wir mehr und stärker.
Was sind die Grenzen des früheren Familienstellens? Sie lagen in den inneren Bildern von Freiheit und Selbstbewusstsein, in der Vorstellung, dass ein Außenstehender die Lösung in der Hand hätte. Dabei blieb völlig außer Acht, dass es keine zwei gleichen Menschen und keine zwei gleichen Fälle gibt. Jeder und sein Problem sind so einzigartig wie ein Fingerabdruck, bei dem jeder einzigartig und einmalig ist, obwohl er einem anderen gleicht.
5. Phase: Ab 2018 - Das Original Hellinger® Familienstellen unter der alleinigen Leitung von Sophie Hellinger
Im Jahr 2018 zog sich Bert Hellinger im Alter von 92 Jahren aus der Öffentlichkeit zurück und übertrug sein Werk, seine sämtlichen Aufgaben sowie seine Anteile an der gemeinsamen Firma seiner Frau Sophie.